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Die Hebammenversorgung im LDK muss sichergestellt sein

WIE SICHER IST DIE VERSORGUNGSSICHERHEIT DER HEBAMMEN IM LAHN DILL KREIS? DIESER FRAGE GINGEN DIE KREISTAGSMITGLIEDER NACH.

Gudrun Esch, FWG Kreistagsmitglied begründete die Haltung der FWG im Konsens mit der LDK Kreis - Koalition.

Kreistag, 23.05.2022:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Sehr geehrte Damen und Herren,  

zum CDU Antrag: Hebammenversorgung sicherstellen:

Ich spreche hier heute nicht nur als Kreistagsmitglied, sondern auch als Mutter von zwei tollen Kindern. Beide durfte ich in Ehringshausen zur Welt bringen, da es dort noch einen Kreissaal und eine Säuglingsstation gab. Das ist heute leider nicht mehr so.

Ich weiß, wie wichtig es ist, eine gute Versorgung während der Schwangerschaft und auch in der Nachsorge zu haben. Deshalb berührt mich die Lage der Hebammen sehr.

Aus diesen Gründen habe ich mich mit einer freiberuflich tätigen Hebamme aus Aßlar einmal unterhalten, um die aktuelle Situation etwas mehr in den Blick zu bekommen.

Es ist Fakt, dass es zu wenig Hebammen gibt. Das hat zum einen eine ganz banale Ursache, die aber wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist: Die Teilzeitbeschäftigung. Zum anderen liegt es tatsächlich auch an der Bezahlung und an den Fixkosten, die eine Hebamme zu stemmen hat.

Die Bezahlung der Hebammen erfolgt über die Gebührenordnung der gesetzlichen Krankenkassen. Das sind überwiegend Pauschalen, die vergütet werden. Bei einem Geburtsvorbereitungskurs z.B. mit bis zu 10 Frauen dürfen Sie gerade mal 7,96 pro Teilnehmerin berechnen. Die Pauschalen berücksichtigen nicht ausreichend die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schwangeren auch in Bezug auf den Zeitaufwand. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommunikation und die Dokumentation mit den Krankenkassen sich sehr mühsam und zeitaufwendig gestaltet. Oftmals wird eine Rechnung nur nach längerer Zeit beglichen, oder sogar einzelne Rechnungsbestandteile herausgestrichen, weil die Dokumentation nach Ansicht der Krankenkasse nicht ausreichend war.

Eigene Kurse, z.B. Wohlfühl-Angebote zur Entspannung, Schwimmkurse für Mutter und Baby usw., die nicht über die Krankenkassen laufen, können dagegen preislich selbst gestaltet werden.

Die erwähnten Fixkosten sind ebenfalls erheblich. Die größten Batzen sind die Haftpflichtversicherung (je nach Tätigkeitsfeld zwischen 400 und 8000 Euro (Geburtshilfe) pro Jahr, die Rentenversicherung, evtl., je nach Veranlagung auch ein hoher Steuersatz und Mitgliedschaftsbeiträge im Hebammenverband. In den Lahn Dillkliniken sind überwiegend Beleghebammen tätig. Diese müssen auch die hohen Versicherungskosten stemmen.

Weiterhin sind Hebammen zu Fortbildungen verpflichtet. Diese Kosten und - je nach Standort - auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten müssen sie selbst übernehmen. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht ist auf Verlangen der zuständigen Gesundheitsbehörde nachzuweisen.

Zudem kehren immer mehr Hebammen dem Kreissaal den Rücken, auch wegen des zu niedrigen Personalschlüssels. Es gibt aber auch andere Gründe: (Zitat Hebammenverband Hessen zum Tag der Hebammen am 5. Mai 22):

„Für viele Kolleginnen ist die schlechte Vergütung gepaart mit dem hohen forensischen Druck ein Grund gewesen, dem Kreißsaal den Rücken zu zukehren. Sie wünschen sich eine deutlich höhere Vergütung und keine Angst vor Regressen haben zu müssen. Die Kolleginnen beklagen weiterhin die hierarchischen (und somit patriarchalen) Strukturen in den Kliniken, vermissen eine Arbeit auf Augenhöhe und eine freundliche, wertschätzende und respektvolle Atmosphäre zwischen den Berufsgruppen. Das Gefühl nur „Befehlsempfängerin“ der Ärzte zu sein, treibt die Hebammen aus dem Kreißsaal. Die vielen Interventionen werden auch von den Hebammen teils als gewaltvoll erfahren.

Kurz gesagt:

Eine frauenfreundliche, interventionsarme, hebammengeleitete Geburtshilfe bei angemessener Vergütung würde dazu führen, dass Hebammen es sich vorstellen könnten, wieder im Kreißsaal zu arbeiten. Wenn der Dienstplan stimmt.“ Zitat Ende

Es ist also nicht damit getan, einer Hebamme 100 € pro Kind zu geben (wer soll übrigens dieses Geld erhalten, die Hebamme, die die Geburt begleitet oder die Hebamme, die Vor- und Nachsorge betreibt?), oder Zuschüsse /km Geld zu gewähren. Der LDK ist dafür nicht zuständig. Auch die HEDI App ist meines Erachtens nicht unbedingt erforderlich. Wir haben ein gutes online Portal mit vielen Informationen und Beratungshinweisen auf der LDK Seite incl. einer brandaktuellen Liste der im LDK tätigen Hebammen. Hier gibt es zudem Hinweise auf Schwangerschaftsberatungsstellen, einen Leitfaden für Schwangerschaft und auch die Koordinationsstelle Prävention und Frühen Hilfen. Sie bietet Schwangeren und jungen Familien Unterstützung an.

Ich würde es begrüßen, erst einmal die Betroffenen selbst zu fragen, wie sich ihre Situation zurzeit darstellt. Der Ausschuss Gesundheit und Soziales könnte zum Beispiel die neue Vorsitzende des Kreisverbandes der Hebammen zu einem Gedankenaustausch einladen. Vielleicht ergeben sich daraus Hinweise, ob und wie der LDK passgenau unterstützen kann.

Eine Anmerkung noch zum Schluss: Es wäre schön gewesen, von Ihnen auch ein Finanzierungskonzept für Ihre Vorschläge an die Hand zu bekommen.

Ihren Antrag in dieser Form lehnen wir ab. Punkt 1 sollte in den Gesundheits- und Sozialausschuss verwiesen werden.

siehe auch WNZ Arikel vom 27.05.22

https://hebammen-hessen.de/5-mai-internationaler-hebammentag/

Gespräch mit Saskia Friedrich, freiberufliche Hebamme