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Schuster: „Wir sind überfordert“

KREISHAUSHALT: CDU KRITISIERT SCHLECHTE ORGANISATION DER KREISPOLITIK / IN DER VIERER-KOALITION KNIRSCHT ES

(jli). WETZLAR/DILLENBURG . 464 Millionen Euro statt 400 Millionen Euro: Die Kreisverwaltung rechnet in diesem Jahr mit mehr Ausgaben als ursprünglich geplant – vor allem für die Unterbringung von Flüchtlingen. Landrat Wolfgang Schuster (SPD) hat deshalb einen Nachtragshaushalt aufgestellt, der Kreistag hat ihn am Montag mit den Stimmen der Vierer-Koalition aus SPD, Grünen, FWG und FDP beschlossen.

Kritik an „Parkhaus-Wahn”

Die Debatte über die Kreis-Finanzen ist stets auch eine Aussprache über die Kreispolitik. Erwartungsgemäß kam Lob von der Koalition. Und Kritik von den Oppositionsfraktionen CDU und AfD. Allerdings wurde auch deutlich, dass es innerhalb der Koalition, zwischen Grünen und FWG, knirscht.

Denn Grünen-Fraktionsvorsitzende Martina Klement sprach sich beispielsweise dafür aus, dass die Duschen in den Sporthallen des Lahn-Dill-Kreises weiter kalt bleiben sollten; damit habe der Kreis vergangenen Sommer 95.000 Euro gespart. Vize-Landrat Roland Esch (FWG) war jedoch erst kürzlich mit der Nachricht an die Öffentlichkeit gegangen, dass in diesem Sommer die Duschen warm bleiben sollen. Klement kritisierte auch den „Parkhaus-Wahn“ in Wetzlar und ein „überdimensioniertes Parkhaus“ für die Theodor-Heuss-Berufsschule in Wetzlar. Die Wetzlarer Stellplatzsatzung verlange einen Parkplatz pro zwei Schüler (in Gießen nur für fünf und in Marburg nur pro zehn Schülern). In Gießen oder Marburg hätte der Kreis gar kein Parkhaus gebraucht und zehn Millionen Euro gespart. Hintergrund: In Wetzlar ist Bürgermeister Andreas Viertelhausen (FWG) als Baudezernent für diesen Bereich zuständig, für die FWG ist er auch Kreistagsabgeordneter; im Kreis ist Esch für die Schulen verantwortlich. Aus den Reihen der CDU kam dann irgendwann auch der erstaunte Zwischenruf zu Klements Rede: „Wem gilt denn diese Kritik?“

CDU-Kreistagsabgeordneter Jörg Michael Müller sagte: Der Kreis wirtschafte nicht gut, die Ausgaben stiegen stärker als die Einnahmen. Ihm fehlen vor allem Visionen in der Kreispolitik, er fragte: „Wo will der Kreis hin, was ist der Zukunftspfad? Sie verwalten den Landkreis nur, und sie verwalten ihn schlecht.“ Ausländerbehörde und Zulassungsstelle kämen der Arbeit nicht hinterher, Müller sprach von „unerträglicher Verwaltungsverweigerung“ – nicht durch die Mitarbeiter, sondern durch eine schlechte Organisation der politischen Führung. Im Lahn-Dill-Kreis brauchten Menschen drei Wochen, um ein Auto zuzulassen. Das sei in anderen Landkreisen nicht so. „Fakt ist: Es funktioniert bei uns nicht.“

AfD-Fraktionsvorsitzender Lothar Mulch kritisierte, die Kreisverwaltung blähe den „Personalapparat“ weiter auf. Weitere 54 Stellen würden geschaffen. Er habe nichts gegen zusätzliches Personal in der Zulassungsstelle, aber das Gros der neuen Stellen sei im Bereich Zuwanderung und Integration geplant.

SPD-Fraktionsvorsitzende Cirsten Kunz lobte das von der Kreisregierung um Landrat Schuster Geleistete. Aber die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, wie gestiegene Energiekosten, Baupreise und Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen, seien nicht einkalkuliert gewesen. Fast drei Viertel der Investitionen des Kreises entfielen auf die Schulen, sie sprach vom „bestmöglichen Support“.

Investitionen in die Schulen

Auch FDP-Fraktionschef Matthias Büger hob die Investitionen in die Schulen hervor und sagte: „Bildung hat für uns Priorität.“ Und er erklärte, der Lahn-Dill-Kreis habe in den vergangenen Jahren hohe Überschüsse erzielt, Rücklagen gebildet und profitiere nun davon. In einem nie dagewesenen Umfang habe der Kreis die Umlagen, die er von den Städten und Gemeinden erhebt, gesenkt.

Landrat Wolfgang Schuster (SPD) hatte den Nachtragshaushalt aufgestellt. Er räumte ein: „Alle Verwaltungen und Ministerien sind im Moment am Limit. Wir sind überfordert.“ Seit vier, fünf Jahren sei die Kreisverwaltung dauerhaft im Krisenmodus und nicht in der Lage, Dinge nacheinander abzuarbeiten.

Keine Anmerkungen der Bürgermeister

Die Koalition und somit die Kreistagsmehrheit stimmte schließlich für den Nachtragsetat, CDU, AfD und NPD stimmten dagegen, die Linken enthielten sich, Abgeordnete der Satirepartei „Die Partei“ waren nicht (mehr) anwesend.

Die Bürgermeister der 23 Städte und Gemeinden hätten Stellungnahmen zu den Kreis-Finanzen abgeben können. Schließlich finanzieren die Kommunen per Umlage den Großteil. Von ihnen kamen aber keine Anmerkungen.

Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung, 19.05.2023