NACH VIELEN JAHREN SOLL DAS NEUE GREMIUM NUN KOMMEN / ABER ES GIBT KRITIK VON JUGENDORGANISATIONEN UND KOMMUNALPOLITIKERN
Erik Wohlert/WETZLAR/DILLENBURG. Die geplante Kreisjugendvertretung im Lahn-Dill-Kreis spaltet in der Kreispolitik die Gemüter. Immer noch. Auch wenn sie nun die letzte formale Hürde genommen hat: Der Kreistag hat die Satzung beschlossen. Dennoch ist die Uneinigkeit im Abstimmungsergebnis abzulesen:Zugestimmt haben SPD, Grüne, Linke, „Die Partei“, eine FDP-Abgeordnete sowie der Großteil der CDU-Fraktion. Dagegen gestimmt haben AfD und „Die Heimat“. FWG, der Rest der FDP und zwei CDU-Abgeordnete haben sich enthalten.
Kreisjugendvertretung direkt an Kreispolitik angedockt
Ein Kritikpunkt: Die KSV – in diesem Kontext nicht der Kegelsportverein, sondern die Kreisschülervertretung – befürchtet, von dem neuen Gremium „überrollt“ zu werden. Sie vertrete ohnehin bereits 30.000 Schüler, sagt Gudrun Esch (FWG) im Kreistag. Dennoch wolle die FWG sich bei der Beteiligung von Jugendlichen nicht querstellen. Darum die Enthaltung. Stattdessen plant die Fraktion, separat eine höhere Bezuschussung der Kreisschülervertretung zu beantragen – obwohl sie institutionell auf Landesebene verankert ist.
Auch Alexander Schuster (Junge Union) warnte in einer gemeinsamen Pressemitteilung der politischen Jugendorganisationen im Lahn-Dill-Kreis vor Doppelstrukturen. Es brauche Klarheit, wie bindend die Entscheidungen der neuen Vertretung sind, und eine Evaluation der Wirksamkeit.
Die nun beschlossene Satzung hält fest: Das Jugendgremium kann Themen und Anträge direkt in den Jugendhilfeausschuss einbringen – der wiederum kann sie auf die Tagesordnung des Kreistags setzen. Eine Evaluation ist nach jeder Legislaturperiode angesetzt. „Das Leben der Jugendlichen besteht nicht nur aus Schule“, bemerkte Julian Stroh, Vorsitzender der Jungsozialisten in der Pressemitteilung. „Die Kreisjugendvertretung wird den Mandatsträgern im Kreistag dabei helfen, näher am Alltag der Jugendlichen zu sein.“ Sibille Tchorz (Grüne Jugend) sah die Vorteile der Jugendvertretung darin, dass diejenigen, die sich beteiligen wollen, nicht direkt Mitglied einer Partei werden müssten. Nils Mittendorf (Junge Liberale) kritisierte die Kosten: Jährlich 45.000 Euro sind angesetzt.
„Wir haben doch schon genügend Beteiligung“, sagt Willi Wagner (AfD). Wenn ein junger Mensch sich engagieren wolle, könne er einer Partei beitreten. Die 45.000 Euro vergleicht Andrea Niggemann (AfD) mit der Bezuschussung von Nicht-Regierungsorganisationen auf Bundesebene. Die Kreisjugendvertretung sieht sie als „ideologisch motiviertes Projekt, das maßgeblich von Grünen und SPD vorangetrieben wird“. Die Parteien würden das Gremium nutzen, um ihre Kader zu platzieren, sagt Niggemann voraus.
„Ich finde es durchaus spannend, dass, wenn es um mehr Mitbestimmung geht, von Ideologie gesprochen wird“, sagt Sebastian Brockhoff (Grüne). Zu dem Vorwurf, die Kreispolitik habe die Schülervertretung übergangen, sagt er: „Wir haben von Anfang an die Bedürfnisse des Kreisschülerrats ernst genommen.“ Wie sich die Jugendvertretung etwa inhaltlich aufstelle, sollten die Jugendlichen dann selbst entscheiden.
„Ich glaube, das war ein hohes Maß an Demokratie“, sagt auch die Sozialausschussvorsitzende Regina Beimborn (SPD). Sie spricht von einem „unglaublich guten Zuhören“ von Politikern und Schülervertretern in ihrem Ausschuss. Die KSV bekommt einen festen, stimmberechtigten Sitz im neuen Gremium.
2021 ist der Antrag für eine Kreisjugendvertretung gestellt worden. Etwa vier Jahre später wird sie nun Realität.
Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung, 04.07.2025