Berichte

Es bleibt bei der Vierer-Koalition

SPD, GRüNE, FWG UND FDP EINIGEN SICH AUF ERNEUTE ZUSAMMENARBEIT IM KREISTAG DES LAHN-DILL-KREISES

(jli). WETZLAR/DILLENBURG. Die CDU hatte zwar noch Gespräche mit Grünen und FWG versucht, aber es bleibt bei einer Vierer-Koalition im Kreistag des Lahn-Dill-Kreises. Die Fraktionen von SPD, Grüne, FWG und FDP haben sich auf die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit in den nächsten fünf Jahren verständigt. Stimmen in den nächsten beiden Wochen auch die Parteien zu, soll der Koalitionsvertrag unterzeichnet werden – möglichst noch bis zur ersten Kreistagssitzung am 10. Mai.

2016, als die vier Fraktionen erstmals eine Koalition vereinbarten, lag die mögliche Bruchstelle zwischen Grünen und FDP. Damals gab es noch persönliche Animositäten – die scheinen längst ausgeräumt. Damals gab es aber auch inhaltliche Differenzen zwischen diesen beiden Parteien. Das Thema Klimaschutz beziehungsweise ein vermeintlicher Widerspruch zur Wirtschaftspolitik entzweite. Ein Kompromiss ermöglichte den Koalitionsvertrag.

„Klimaschutz war auch diesmal wieder ein starkes Thema“, berichtet Grünen-Fraktionsvorsitzende Martina Klement von den Koalitionsgesprächen. Die Grünen hatten bei der Kreistagswahl am 14. März knapp sechs Prozent auf 14,2 Prozent zugelegt und sind nun nach der SPD (24,9 Prozent) zweitstärkster Partner in der Koalition. Und Klement hatte gleich deutlich gemacht: „Wir haben den Wahlauftrag, den Klimaschutz voranzubringen.“

„Knackpunkt“ Klimapolitik?

Was ist daraus in den Koalitionsverhandlungen geworden? Über Inhalte will noch keiner der Fraktionsvorsitzenden reden. Erst müssten die Parteien dem Koalitionsvertrag zustimmen. Aber Klement berichtet zumindest, Klimaschutz sei ein Knackpunkt der Verhandlungen gewesen. „Das Wort Klimakrise war bei den anderen Koalitionspartnern nicht durchzusetzen, es taucht im Koalitionsvertrag nicht auf. ,Menschengemachter Klimawandel’ war das Maximale, das ging“, sagt sie. Daran habe man schon den unterschiedlichen Blick auf das Thema gemerkt.

Die Grünen sähen einen Zusammenhang zwischen Klima- und Wirtschaftspolitik (Klement: „Man kann nur noch nachhaltig wirtschaften“), die FDP nicht. Zwar könne eine Klimapolitik im Lahn-Dill-Kreis nicht die Welt retten, aber man könne tun, was sinnvoll möglich sei. Beispielsweise die Ideen des Klimaschutzmanagers konsequenter umsetzen, mehr Fotovoltaikanlagen installieren und mehr Fassadenbegrünung.

Den „Knackpunkt“, den die Grünen sehen, sieht FDP-Fraktionsvorsitzender Matthias Büger nicht. „Wir haben ja auch die Grundlinie, Ökonomie und Ökologie zu verbinden.“ Das sei auch schon ein Grundsatz in den vergangenen fünf Jahren gewesen. Und in dieser Zeit habe es innerhalb der Koalition auch keine Zerwürfnisse gegeben. Auch bei den jetzigen Koalitionsverhandlungen sei man am Ende zu einem Ergebnis gekommen, das für alle tragbar sei.

Auch FWG-Fraktionsvorsitzender Jörg Ludwig sagt: „Es gab keine Knackpunkte, es gab relativ zügig Einigkeit.“ Die Klimakrise sei zwar ein wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag, aber er sei auch nicht streitig verhandelt worden.

Finanzielle und soziale Folgen der Corona-Pandemie

SPD-Fraktionsvorsitzende Cirsten Kunz berichtet ebenfalls von einer schnellen Einigung. Sie sagt: „Wir verstehen uns auch auf persönlicher Ebene sehr gut.“ Und: „Grundsätzliche Hürden in der Kreispolitik haben wir schon vor fünf Jahren aus dem Weg geräumt. Jetzt ging es darum: Wie wollen wir weitermachen?“ Der Klimaschutz sei den Grünen etwas wichtiger als allen anderen, aber auch die Sozialdemokraten nähmen wahr, wie der Wald aussehe und dass etwas getan werden müsse.

Wenn die Koalitionäre auch noch keine Details aus ihrem Vertrag öffentlich machen wollen, deuten sie zumindest weitere Themen an, wie: die Folgen der Corona-Pandemie, insbesondere die finanziellen und sozialen. Büger spricht von „Herausforderungen, die abgearbeitet werden müssen“.

Der SPD seien vor allem „solide Finanzen, eine zugewandte Sozialpolitik und gut ausgestattete Schulen“ wichtig, erklärte Cirsten Kunz. Und: „Wir müssen uns Gedanken machen, was mit der Industrie hier vor Ort passiert.“

Jörg Ludwig nennt zwei Punkte, die der FWG wichtig seien und die auch im Vertrag stünden: Die Personalkosten der Kreisverwaltung sollten nicht stärker steigen. Und: Die Umlage, die der Kreis von den Städten und Gemeinden erhebt, solle nicht über einen Wert von 53 Prozent wachsen.

Es gab auch Alternativen zu einer Vierer-Koalition. CDU und SPD führten Gespräche. Kunz: „Wir haben aber auch da offen gesagt, dass uns eine Fortsetzung der bisherigen Koalition lieber ist.“ Dass eine Große Koalition nicht gut sei, zeige sich im Bundestag in Berlin. Die beiden großen Volksparteien sollten grundsätzlich in Regierungsverantwortung beziehungsweise Opposition zueinanderstehen. Damit die Wähler merkten, dass es einen Unterschied mache, wo man sein Kreuzchen setzt.

„Kluft“ zur CDU unter Hans-Jürgen Irmer

Die CDU schielte auch auf eine Koalition mit Grünen und FWG. Jörg Ludwig sagt jedoch: Es habe sich keine Notwendigkeit für ein Gespräch mit den Christdemokraten ergeben. Die FWG sei an einer Fortsetzung der bisherigen Koalition interessiert gewesen, zumal es der Wählergemeinschaft wichtig gewesen sei, dass ihr Kreisvorsitzender Roland Esch seine Amtszeit als Vize-Landrat fortsetzen könne – da habe es mit SPD, Grünen und FWG eine schnelle Einigung gegeben.

Im vorangegangenen Koalitionsvertrag lautete die Einigung: Erst nach Ablauf der Amtszeit des aktuellen Vize-Landrats werde die Stelle neu ausgeschrieben. Das wäre 2025, ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl. Das Vorschlagsrecht für diese Position gibt die Koalition dann der zweitstärksten Fraktion; das sind nun die Grünen.

Die Grünen hatten nach Angaben von Martina Klement das Gesprächsangebot der CDU angenommen. „Aber durch Hans-Jürgen Irmer und seinen populistischen ,Wetzlar-Kurier‘ können wir nicht mit der CDU koalieren. Das könnten wir weder unseren Mitgliedern noch unseren Wählern nahebringen. Da gibt es eine Kluft. So lange die CDU hier so aufgestellt ist, können wir uns eine Zusammenarbeit nicht vorstellen.“

Die CDU ist zwar zum vierten Mal hintereinander stärkste Fraktion bei der Kreistagswahl geworden, bleibt aber wie in den vergangenen Jahrzehnten weiter in der Opposition.

Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung, 27.04.2021