Berichte

Schulen und Pandemie. Der Lahn-Dill-Kreis ist vorbereitet - eine Zusammenfassung -

AUSSICHT „VIERTE WELLE“ KOMMT DIE VIERTE WELLE, KANN SCHULE STATTFINDEN, GIBT ES WECHSEL-, DISTANZUNTERRICHT ODER DROHEN SCHULSCHLIEßUNGEN?

Was wurde getan, um den Schulbetrieb zu gewährleisten? Das sind oft gestellte Fragen, die für Schülerinnen und Schüler ebenso wichtig sind wie für Eltern und Lehrpersonal.

Der Lahn- Dill-Kreis ist als Schulträger für die Ausstattung der Schulen zuständig. Wir entscheiden nicht über Präsenz-, Wechsel- oder Distanzunterricht. Das ist Sache des Landes Hessen. Aber wir bauen und unterhalten Schulen und statten sie technisch aus.

Sicher sind wir keine Propheten und können nicht exakt voraussagen, wie sich die Pandemie weiter entwickelt.

Aber wir alle haben mittlerweile Erfahrungswerte, neue Erkenntnisse und Methoden, um mit der Situation umzugehen.

Verstärkt hat sich seit vergangenem Jahr die Erkenntnis, dass sich Corona-Viren in erster Linie über Aerosole verbreiten.

Neu ist, dass wir zwischenzeitlich testen können und, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung geimpft ist.

Dies alles vorausgesetzt haben wir uns gut auf den Herbst/Winter vorbereitet.

Was wurde getan?

Bereits im Dezember 2020 beschloss der Kreistag des Lahn-Dill-Kreises u.a. auf Antrag der FWG Fraktion als Mitglied der Koalition:

  1. Der Kreistag bekräftigt das Ziel, dass die Schulen in Trägerschaft des Lahn-Dill-Kreises auch in der Pandemie geöffnet bleiben. Der Kreisausschuss wird gebeten, alle dafür erforderlichen und in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen.
  2. Der Kreistag bitten den Kreisausschuss, Räume in Schulen, die über keine oder nur unzureichende Lüftungsmöglichkeiten verfügen, mit geeigneten Lüftungsgeräten auszustatten.
  3. Der Kreistag bekräftigt, dass in Schulgebäuden des Lahn-Dill-Kreises ausschließlich technische Geräte zum Einsatz kommen dürfen, die nach den Bestimmungen der Gesetzlichen Unfallversicherung geprüft, zugelassen und aus arbeitsmedizinischer Sicht unbedenklich sind.

Daraufhin wurden – mit finanzieller Förderung durch das Land aber auch mit originären Geldern des Kreises umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet. Ziel: bessere Hygiene- und Lüftungsverhältnisse an Schulen zu schaffen.

Unsere „Strategie“ folgt dabei den Empfehlungen des Bundesumweltamts, der hessischen Landesregierung und des Gesundheitsamts des Lahn-Dill-Kreises:

bestes Mittel gegen Ansteckung in Schulen ist Lüften, Lüften, Lüften

Und so wurden die 2.557 Unterrichtsräume des Lahn-Dill-Kreises jeweils auf ihre Eignung geprüft.

Es wurde festgestellt, dass 781 Unterrichtsräume bereits mit raumlufttechnischen Anlagen ausgestattet waren, weitere 15 innenliegende Räume wurden mit derartigen stationären Anlagen ausgestattet, so dass mittlerweile 796 Unterrichtsräume die – aus unserer Sicht und Sicht des Bundesumweltamtes - optimale Ausstattung erhalten haben.

Darüber hinaus wurden über 2 Mio. Euro in Hygienemaßnahmen sowie in die Ertüchtigung von Lüftungsmöglichkeiten investiert.

Allein 165.000 Euro wurden für CO²-Ampeln ausgegeben.

Dies führte im Ergebnis dazu, dass zum Schuljahresstart alle Unterrichtsräume, aber auch alle anderen genutzten Räume an Schulen des Lahn-Dill-Kreises gut belüftet werden können.

Sie sind damit für die Umsetzung des Lüftungskonzeptes, das das Land Hessen den Schulen gegeben hat, bestens geeignet.

Damit wird, wiederum nach den Vorgaben des Bundesumweltamtes, in diesen Räumen keine weitere technische Unterstützung benötigt.

Mit den bisher bereits eingeleiteten bzw. durchgeführten Maßnahmen sieht sich der Lahn-Dill-Kreis als Schulträger für die Herbst Winter Saison gut ausgerüstet.

In Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse sollen auf Anregung des Dezernenten Roland Esch in den kommenden 5 Jahren weitergehend zunächst alle Grundschulen mit stationären RTF Anlagen ausgerüstet werden. Dieser Zielsetzung hat der Kreistag des Lahn-Dill-Kreises in seiner Sitzung vom 13.9.2021 bereits zugestimmt.

Exkurs: Lüften und Technik

Fensterlüftung

Wenn es um das Lüften von Klassenräumen geht, ist empfohlenes Mittel die Fensterlüftung in Form von Stoßlüftung.

Da kann es zwar auch mal kurzfristig kalt werden. Fensterlüftung ist aber insofern nicht ersetzbar (es sei denn, man betreibe stationäre RTF Anlagen), weil nur auf diesem Weg frische Luft und damit Sauerstoff in den Raum und CO2 aus dem Raum geleitet werden kann.

Raumlufttechnische Anlagen (RTF)

Als [G1] beste Lösung bezeichnet das Umweltbundesamt stationäre Raumlufttechnische Anlagen (RTF), die den CO2 Gehalt der Raumluft messen, bei Bedarf Frischluft zuführen und Abluft ausführen. Per Wärmetauscher wird zugleich die darin enthaltene Wärmeenergie zurückgewonnen.

Mobile Luftfilter

Mobile Luftfilter sind dem gegenüber in Wirkung und „Nebenwirkungen“ umstritten. Fest steht, dass sie das Lüften nicht ersetzen können, da sie keine Frischluft in und keine verbrauchte Luft aus dem jeweiligen Raum leiten.

Es muss also gleich oft mit offenen Fenstern gelüftet werden, egal, ob ein mobiler Luftfilter vorhanden ist oder nicht.

Warum schafft der LDK bisher keine mobilen Luftfilter an?

Mobile Luftfilter sind ein sehr umstrittenes Thema.  Unser Problem ist, dass sie einerseits von vielen Politikern und auch Eltern gewünscht werden. Andererseits halten Gesundheitsämter und arbeitsmedizinische Dienste den Einsatz solcher Geräte nicht nur für wenig nützlich, sondern auch, und das ist der Punkt, für gesundheitlich bedenklich.

Gleichzeitig aber kann deren Anschaffung gefördert werden. Es ist fast eine „Glaubenssache“ und mittlerweile offensichtlich auch ein Wahlkampfthema.

Die Gretchenfrage jedoch ist und bleibt: Wer bitte möchte sein Kind in einem Raum unterrichtet haben, in dem ein Gerät läuft, das der zuständige arbeitsmedizinische Dienst für gesundheitlich „nicht unbedenklich“ hält?

Leider – und vielleicht gerade deshalb - gibt es weder von Bund noch Land eine Empfehlung oder gar Positiv-Liste für bestimmte „zugelassene“ und damit unbedenkliche Geräte. Das sollen schon die Landkreise klären…

Dazu kommt: kein Luftfilter kann das Lüften – und sei es auch nur teilweise - ersetzen. Denn er kann ja auch kein CO2 raus-, bzw. Sauerstoff reinbringen, sondern nur Luftmassen umwälzen. Es muss also (auch im kalten Winter) genauso oft gelüftet werden, egal ob ein Gerät im Klassenraum steht oder nicht.

Vor Ozon- oder UV-betriebenen Geräten wird gewarnt, Hepa-Filter Geräte sind zudem oftmals schlicht zu laut.

Ergebnis: Diese Geräte mögen hilfreich sein können, sind aber keinesfalls eine zufriedenstellende oder gar ausreichende Lösung. Außerdem verleiten sie dazu, wenn es kalt ist auch einmal weniger zu lüften (Wir haben ja den Filter…), im Ergebnis eine schlechte Entscheidung.

Empfehlungen des Bundesumweltamts

Das Bundesumweltamt empfiehlt, solche Filter als Hilfsmittel ausschließlich in schlecht belüftbaren Räumen (z.B. Fenster können nur gekippt werden o.ä.) einzusetzen. Solche Räume sind in Schulen des LDK so gut wie nicht (mehr) vorhanden.

Trotzdem erschien es den Verantwortlichen im Lahn Dill Kreis wichtig, herauszufinden, ob zumindest in Einzelfällen, zur Unterstützung mobile Luftfilter sinnvoll eingesetzt werden könnten.

Dann müssten sie natürlich zumindest unbedenklich sein und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

Medizinisch „nicht unbedenklich“

Vor diesem Hintergrund und, um im Sinne des Kreistags die medizinische Unbedenklichkeit in Betracht kommender Geräte zu prüfen, haben wir uns mehrfach an die Medical Airport Service GmbH, gewandt. Medical Airport ist das vom Land Hessen beauftragte Unternehmen, welches für das landesbedienstete Schulpersonal in Fragen der Gesundheit zuständig ist. Dieses Unternehmen haben wir gebeten, uns für einzelne, in Betracht kommende Produkte deren Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Eine Unbedenklichkeit konnte leider, in keinem Fall bescheinigt werden. Vielmehr wurde uns signalisiert, dass man diese Geräte grundsätzlich für „nicht unbedenklich“ halte.

Ausschreibung ohne Ergebnis

Unabhängig davon wurde für einige wenige Räume eine Ausschreibung für mobile Luftfilter durchgeführt.

Sie erfolgte mit der Maßgabe, dass es sich um HEPA-Filter handeln sollte. Die dafür gesetzten Anforderungen ergaben sich größtenteils aus den Empfehlungen der zuständigen Bundesbehörden, des Bundesumweltamts und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Ein Gerät pro Klassenraum sollte die notwendige Reinigungs- bzw. Umwälzleistung erbringen und dabei unter einer Dauerlautstärke von 35 Dezibel bleiben.

Dieser Wert gilt nach den einschlägigen Arbeitsschutzrichtlinien für Klassen- und Seminarräume.

Im Ergebnis erhielt der LDK 5 verschiedene Geräte angeboten. Keines davon erfüllte die gesetzten Voraussetzungen. Größtenteils scheiterten die Geräte an den einzuhaltenden Lautstärkewerten.

Warum schaffen andere Landkreise dann mobile Lüfter an?

„weil sie uns nicht gefragt haben“, antwortete auf diese Frage ein Mitarbeiter der Medical Airport Service GmbH, der Organisation, die, wie schon erwähnt, im Auftrag des Landes Hessen für das landesbedienstete Schulpersonal und dessen Gesundheit zuständig ist.

Ungeachtet dessen steht grundsätzlich der Nutzen all dieser mobilen Gerätschaften im Zweifel und führt zu kontroversen Diskussionen unter Fachleuten aber auch – und insbesondere – in der Politik.

Die Gesundheitsämter raten in der Regel vom Betrieb dieser Anlagen ab. Nicht zuletzt, weil sie in falscher Sicherheit wiegen, man brauche mit einem solchen Gerät nicht oder weniger zu Lüften als ohne.

Heinz-Jörn Moriske, Geschäftsführer der Innenraumlufthygiene-Kommission des UBA drückte es gegenüber dem „Handelsblatt“ wie folgt aus:

Mobile Luftreiniger hätten den Nachteil, dass sie zwar Viren herausfiltern oder mit UV-Licht deaktivieren, aber weder Kohlendioxid noch Schimmel oder Feuchtigkeit entfernen, stellt Moriske klar. „Das heißt, sie verbessern nicht die allgemeine Luftqualität (sie ersetzen nicht das Lüften) und wären nach der Pandemie im Prinzip überflüssig beziehungsweise erst in einer nächsten Pandemie wieder von Nutzen.“

Verschiedene Techniken mobiler Luftreinigung als Alternative?

Neben Zweifeln an der Wirksamkeit sind auch die in Betracht kommenden Techniken keinesfalls unumstritten.

Hepa-Filtergeräte sind offenbar zu laut und von anderen Technologien wird abgeraten. So erläutert das Bundesumweltamt auf seiner Website:

Eine Behandlung der Luftinhaltsstoffe mittels Ozons oder UV-Licht wird aus gesundheitlichen ebenso wie aus Sicherheitsgründen von der IRK abgelehnt.

Durch Ozonung und UV-induzierte Reaktionen organischer Substanzen können nicht vorhersagbare Sekundärverbindungen in die Raumluft freigesetzt werden [13].

Beim UV-C sind es auch vor allem Sicherheitsaspekte, weshalb der Einsatz im nicht gewerblichen Bereich unterbleiben sollte.

Da das Land Hessen die Anschaffung mobiler Filtergeräte fördert, hätten wir uns darüber gefreut, wenn aufgrund der vorgenannten Gründe eine Positivliste zugelassener Geräte vom zuständigen Ministerium erstellt worden wäre.

Dies aber ist weder erfolgt, noch beabsichtigt.

Und so ist es schwierig, den Menschen zu vermitteln, dass Gerätschaften einerseits gefördert werden, die aber andererseits nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Der Kreistag des Lahn- Dill- Kreises hat sich in seiner Sitzung vom 13.9.2021 erneut der Problematik mobiler Luftfilter an Schulen angenommen und diese eingehend diskutiert. Ein Beschluss wurde nicht gefasst, vielmehr soll die Diskussion nun im Fachausschuss weitergeführt werden.

Sollte es nachweisbar nützliche und unbedenkliche Geräte geben, sind wir gerne bereit, für deren Anschaffung und Nutzung in Schulen einzustehen.

Bis dahin bleiben wir bei der, im Übrigen auch vom Land Hessen empfohlenen, Methode des Stoßlüftens.

Die Landesregierung formuliert das so:

„Die Hessische Landesregierung erachtet das regelmäßige, sachgerechte Lüften von Innenräumen durch Fensteröffnung unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bundesumweltamts als das erste Mittel der Wahl, um für einen ausreichenden Luftaustausch zu sorgen und damit die Infektionsgefahr zu minimieren. Ein Bedarf für den Einsatz von Raumluftreinigungsgeräten wird darüber hinaus in Einzelfällen gesehen

Die Öffnung der Schulen ist eine zentrale Priorität unseres Handelns. Lüften trägt durch die Reduktion der Aerosole zu einer maßgeblichen Reduzierung des indirekten Infektionsrisikos bei und ist somit ein unerlässlicher Bestandteil der bereits in den Schulen angewendeten Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen.

Die natürliche Frischluftzufuhr durch regelmäßiges Stoßlüften mittels Öffnung der Fenster bleibt auch in der kalten Jahreszeit erstes Mittel der Wahl. Durch Stoßlüften lassen sich angemessene Raumtemperaturen grundsätzlich gewährleisten. Je geringer die Außentemperatur ist, desto effektiver und schneller erfolgt der Luftaustausch.“

Kurz gesagt: „wir lüften, auch wenn das die Maßnahme ist, die sich am meisten ins Lächerliche ziehen läßt“ (Kultusminister Lorz am 8.7.2021 im Hess. Landtag)

Dem entspricht die erst aktuell eingegangene Vorankündigung eines „Bund/Land  „Förderprogramms für die Anschaffung von mobilen Luftreinigungsgeräten …für Schulen und Kindertageseinrichtungen“.

Danach werden nur Gerätschaften für Räume der Kat. 2 (schwer belüftbar) nach UBA förderfähig sein, nicht aber eine flächendeckende Ausstattung aller Räume. Außerdem dürfen die Geräte max. 35 db laut sein.

Das entspricht den von uns vorausgesetzten Anforderungen. Abgesehen davon, ist der tatsächliche Nutzen mobiler Luftreiniger in Schulen mit oder ohne Förderung nach wie vor höchst umstritten.

Allerdings:  ein Argument ist unter allen Experten unstreitig: kein Luftfilter ersetzt das regelmäßige Lüften und den damit verbundenen Luftaustausch.

Es ist genauso oft und intensiv zu lüften, unabhängig davon, ob ein Luftfilter im Raum steht oder nicht.

Leider sind diese Feststellungen zwar objektiv zutreffend, aber alles andere als populär. Wer auf Lüften setzt wird als altmodisch, inkompetent, ewig gestrig oder mit noch wesentlich schlimmeren Bezeichnungen lächerlich gemacht.

Fazit

Im Ergebnis wurden alle vorstehenden Überlegungen, Empfehlungen und Feststellungen der Fachbehörden des Bundes, des Landes sowie unseres Gesundheitsamtes berücksichtigt.

So wurde und wird im Lahn-Dill-Kreis alles dafür getan, dass der begonnene Schulbetrieb auch unter den gegebenen Pandemiebedingungen bestmöglich weitergeführt werden kann.

Ausblick

Die Erkenntnisse aus der Pandemie haben als Nebenprodukt etwas Wichtiges aufgezeigt: Es wurde und wird generell (auch schon vor Corona-Zeiten) zu wenig gelüftet, bzw. für eine regelmäßige Frischluftzufuhr gesorgt. Vor allem an Orten, an denen sich mehr Menschen gleichzeitig für längere Zeit aufhalten (z.B. in Schulklassen, Versammlungsräumen u.a.)  Ein regelmäßiger Luftaustausch sorgt gerade in der kalten Jahreszeit dafür, dass die Raumluft genügend Sauerstoff enthält. Organismen, die die Gesundheit beeinträchtigen können, wie Viren, Bakterien und Pilze werden dadurch dezimiert. Deshalb muss das langfristige Ziel sein, alle Schulen mit geeigneten Lüftungssystemen auszustatten.