Berichte

Wie gut ist der Hochwasserschutz?

KREISPOLITIKER WOLLEN BERICHT VON DER KREISVERWALTUNG/ ZWECKVERBAND VOR GRüNDUNG

Von Jörgen Linker WETZLAR/DILLENBURG. Wie groß ist die Hochwassergefahr und wie gut ist der Hochwasserschutz im Lahn-Dill-Kreis? Das will der Kreistag wissen und fordert deshalb von der Kreisverwaltung einen Bericht, nur AfD und NPD stimmten dagegen.

Die Forderung geht auf einen Antrag der Vierer-Koalition aus SPD, Grünen, FWG und FDP zurück, sie haben ihn im vergangenen August, unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe mit 180 Toten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz formuliert, erst in der Sitzung in dieser Woche kam er zur Debatte. Im Antrag heißt es: „Da wir damit rechnen müssen, dass diese Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten werden, müssen wir auch davon ausgehen, dass der Lahn-Dill-Kreis in Zukunft betroffen sein könnte. Durch eine Begutachtung von möglichen Gefahrenschwerpunkten sollen Ansätze und erforderliche Maßnahmen zur Schadensbegrenzung aufgezeigt werden.“

Die Linken forderten zudem einen Bericht über den Zustand der Sirenen im Lahn-Dill-Kreis. Dies nahm die Koalition in ihren Antrag mit auf.

SPD-Kreistagsabgeordneter Stefan Scholl sagte in der Sitzung am Montag: „Nach der Katastrophe haben wir sehr schnell gemerkt, dass die bisherigen Konzepte einer Überarbeitung bedürfen.“ Man werde nicht jedes Starkregenereignis verhindern können, aber es stelle sich die Frage, wie man damit umgehe. Der Antrag sei auch ein Signal an die Bevölkerung, dass dies ein wichtiges Thema sei. Die Bevölkerung sei zudem aufgerufen, zu Hause selbst Vorsorge zu leisten.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Martina Klement: „Die Klimakrise ist deutlich sichtbar angekommen.“ Und Hochwasserschutz bedeute nicht nur der Bau von Staumauern und Rückhaltebecken. Es seien auch Retentionsräume gefragt, die Entsiegelung von Flächen, Renaturierung, Schwammstadt-Konzepte (Stadtplanung, mit der Regenwasser gespeichert wird; Anm. d. Red.) und nach dem großflächigen Fichtensterben im nördlichen Lahn-Dill-Kreis auch dringend die Wiederaufforstung. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

Ihr Koalitionskollege, der FWG-Fraktionsvorsitzende Jörg Ludwig widersprach teilweise. Gutachten, die ihm als ehemaligen Bürgermeister in Solms vorgelegen hätten, zeigten, Entsiegelung von Flächen und Retention seien zwar sinnvoll, und er wolle die Maßnahmen auch nicht infrage stellen, aber für den Hochwasserschutz brächten sie relativ wenig. „Wenn man ernsthaft Hochwasserschutz will, muss man Rückhaltebecken bauen.“ Und mit Blick auf den Starkregen im Sommer im Ahrtal: Da bleibe dann einfach nur noch eine rechtzeitige Warnung der Bevölkerung, auch wenn dies eigentlich eine Kapitulationserklärung sei.

Lisa Schäfer (CDU) sagte, für die Union stünden noch weitere Fragen an, zum Beispiel zum geplanten Hochwasserschutz-Zweckverband sowie mit dem Schutz der kritischen Infrastruktur im Kreisgebiet.

Werben für einen Zweckverband

AfD-Abgeordneter Willi Wagner sprach von „populistischen Motiven“ hinter dem Antrag. Der aktuelle Hochwasserschutz in und um Wetzlar sei ausreichend, und Lahn-Überschwemmungen habe es früher noch häufiger gegeben. Er sagte außerdem: Deutschland nehme zu viele Menschen auf, deshalb werde zu viel gebaut und immer mehr Böden durch Baugebiete versiegelt. Kommentar von Stefan Scholl zum Ex-Lehrer Wagner: „Es ist erschreckend, wer früher mal vor Schülern stand.“

Im Lahn-Dill-Kreis stehen die Städte und Gemeinden zurzeit vor der Gründung eines Hochwasserschutz-Zweckverbandes, zurzeit prüfen Juristen die ausgearbeitete Satzung. Nach Angaben von Kreis-Umweltdezernent Heinz Schreiber (Grüne) reisen er und der Dillenburger Bürgermeister Michael Lotz (CDU) – die Stadt war 2006 von einem Hochwasser nach einem Starkregen betroffen – durch den Kreis und erläutern vor Kommunalparlamenten das Vorhaben. Schreiber: „Die meisten Kommunen sehen die Notwendigkeit, sie haben es begriffen.“

Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung, 10.02.2022